Finanzierung von Erneuerbare Energien Projekten
Der Sparkassen- und Giroverband Hessen-Thüringen (SGVHT) hatte die Spezialisten seiner Mitgliedssparkassen am 10. April zu seiner 10. Fachtagung Erneuerbare Energien und Energieeffizienz in Erfurt eingeladen.
Der Sparkassen- und Giroverband Hessen-Thüringen (SGVHT) hatte die Spezialisten seiner Mitgliedssparkassen am 10. April zu seiner 10. Fachtagung Erneuerbare Energien und Energieeffizienz in Erfurt eingeladen. Dort hat sich das House of Energy (HoE) vorgestellt und über die Ergebnisse der Dialogveranstaltung „Finanzierung von Zukunftsprojekten und innovativen Geschäftsmodellen für die Energiewende“ berichtet. Hierzu hatte das HoE im Oktober 2017 Vertreter von Finanz- und Energiewirtschaft sowie die Wissenschaft eingeladen (Link zum Tagungsband: https://www.house-of-energy.org/mm/HoE_Dialog_Tagungsband_Finanzierung_web.pdf).
Ziel der Sparkassen-Fachtagung des SGVHT war ein Erfahrungsaustausch mit den Spezialisten der Sparkassen Hessens und Thüringens bezogen auf die Möglichkeiten, Energiewendeprojekte zu finanzieren. Themen waren die derzeitigen Erfahrungen der Sparkassen, Analysen zur bestehenden Situation sowie ein visionärer Blick in die Zukunft der Energiewende, wobei Photovoltaik und E-Mobilität etwas intensiver beleuchtet wurden. Im folgenden sind wesentliche Diskussionspunkte zusammengefasst.
Erfahrungen der Sparkassen
Es wurde deutlich, dass die Sparkassen in den vergangenen zwei Jahren kaum noch Erneuerbare Energien-Projekte finanziert haben. Als Hauptgrund wurde das Ausschreibungsverfahren angeführt, das mit der Reform des Erneuerbare Energien-Gesetztes EEG 2017 in Kraft trat. Mit dem Ausschreibungsverfahren sind Anforderungen und Risiken der Projektentwicklung gestiegen. Seither sortiert sich der Markt neu und die Akteursstruktur verändert sich. Somit haben sich auch für die Sparkassen die Anforderungen an Projektfinanzierungen signifikant verändert. Ein zentraler Punkt besteht in der neuen Kundenstruktur. „Echte“, von Akteuren in der Region ursächlich entwickelte Bürgerenergieprojekte, wie sie bislang für die Energiewende typisch waren und der regionalen Wertschöpfung dienen, lassen sich kaum mehr realisieren. Weiterhin ist zu beobachten, dass die im Ausschreibungsverfahren erfolgreichen Projektierer zur Projektfinanzierung wenigerauf die Sparkassen vor Ort zugehen. Bereits im Verlauf der vergangenen Jahren wurde die Bewertung von Projekten aufgrund der im EEG immer weiter gestiegenen Regelungsdichte deutlich komplizierter. Insgesamt bedeutet dies, dass das Geschäftsfeld für viele kleine Sparkassen – anders als noch vor wenigen Jahren – deutlich an Attraktivität verloren hat. Für zukünftige Projekte wird davon ausgegangen, dass diese am ehesten konsortial zu finanzieren sind.
Analysen zur bestehenden Situation
Intensiv wurde über das Ausschreibungsverfahren im EEG gesprochen. Dies wurde eingeführt, um Konformität mit dem EU-Beihilferecht bei der Förderung von erneuerbaren Energien zu schaffen. Zudem sollten mehr Wettbewerb, mehr Planbarkeit und mehr Kosteneffizienz erreicht werden. Kritisch diskutiert wurde, ob das Ausschreibungsverfahren tatsächlich diese Ziele erreicht. Wettbewerb setzt eine marktwirtschaftliche Akteursvielfalt voraus. Derzeit lässt sich allerdings beobachten, dass die Akteursvielfalt aufgrund von Prozessen der Marktkonsolidierung geringer wird. Demgegenüber lassen sich tatsächlich rapide Preissenkungen bei den Zuschlagswerten (in ct/kWh)beobachten. Diesbezüglich wurde die Frage aufgeworfen, in welchem Verhältnis die finalisierten Preise zu den tatsächlichen Kosten stehen. International kann eine Lernkurve mit sinkenden Marktpreisen beobachtet werden, die in den verschiedenen Ländern in ähnlichem Maße stattfindet – unabhängig davon, ob in den Ländern ein Vergütungssystem oder ein Ausschreibungsverfahren existiert. Auch in Vergütungssystemen kann ein intelligenter Mechanismus die Lernkurve stetig mit abbilden. Die höheren Risiken, die das Ausschreibungsverfahren mit sich bringt, führen beim Projektentwickler zunächst einmal zu höheren Kapitalkosten und damit wieder zu höheren Projektkosten. Für Bürgerenergie-Gesellschaften ist es schwierig, Risikokapital zu tragen. Hinzu kommt, so die Feststellung, dass im Rahmen der Prospektpflicht das Risiko zahlenmäßig darzustellen ist aber vielfach zu diesem Zeitpunkt die Grundlagen für die Zahlen noch nicht bekannt sind.
Unabhängig davon schloss die Ausschreibungsrunde im November 2017 für Strom aus Windparks ohne BImSchG-Genehmigungen zum Tiefstpreis von 3,82 ct/kWh. Die Hintergründe dafür wurden kritisch beleuchtet. Dieser niedrige Preis wurde derart interpretiert, dass er eine Wette auf weitere Preissenkungen in den nächsten Jahren darstellt. Somit bleibt unklar, wie viele von den bezuschlagten Anlagen tatsächlich realisiert und errichtet werden. Die Pachtpreise seien aufgrund der Konkurrenz um windhöffige Flächen alles andere als gesunken. Allerdings sind die Hersteller von Windenergieanlagen in einen massiven Preiskampf eingetreten und haben radikal ihre Angebotspreise gesenkt. Hierzu war festzustellen, dass diese rasche Preissenkung die Geschwindigkeit der technologischen Entwicklung deutlich überholt hat. Daher wäre zu vermuten, dass die Qualität der Anlagen nicht mehr den bisherigen hohen Ansprüchen gerecht wird. Darüber hinaus besteht die Befürchtung, dass der Preiskampf manche Anlagenhersteller existenziell bedroht. Für die Projektbewertung der Finanzinstitute ist es wichtig, dass die Anlagenhersteller vital bleiben, um die Vollwartungsverträge über die Anlagenlaufzeit erfüllen zu können. Der Preiskampf könnte also dazu führen, dass Banken nur noch Projekte mit großen Anlagenherstellern finanzieren, weil sie dort von einem als gering einzuschätzenden Insolvenzrisiko ausgehen. Dies würde kleinere Hersteller umso mehr in ihrer Existenz gefährden. Tenor war, dass es alternative Möglichkeiten im Bund gegeben hätte, zugleich die Anforderungen aus dem EU-Beihilferecht zu erfüllen und Bürgerenergieprojekte weiter zu fördern. Einen Regelungsvorschlag hatte damals das Institut für ZukunftsEnergieSysteme (izes) aus Saarbrücken vorgelegt. Im Sinne der Akteursvielfalt wären kleinere Akteure über eine großzügige Auslegung der de-minimis-Regeln von der Teilnahme an Ausschreibungen freigestellt worden. Zukünftig wäre bei den Ausschreibungen zu beachten, dass sie Photovoltaik und Windenergie nicht in Konkurrenz zueinander stellen, sondern den Aspekt berücksichtigen, dass beide Energieformen in Kombination gebraucht werden.
Visionärer Blick in die Zukunft der Energiewende
Trotz aller Kritik wurde festgestellt, dass das Ausschreibungsverfahren künftig Bestand haben wird. Daher ist das Gebot der Stunde, nach vorn zu schauen, das Wesen der Energiewende nachzuvollziehen und potenzielle Geschäftsfelder zu analysieren. Wie wird es mit der Energiewende weitergehen? Zwar lässt sich die Zukunft nicht prognostizieren, doch es ist möglich Trends zu analysieren. Zu den großen Trends wurden von mehreren Referenten ähnliche Aussagen getätigt. Daraus kann dann wiederum abgeleitet werden, in welche Richtung aus strategischer Sicht eine Geschäftsmodellentwicklung bzw. ein Change Management sinnvoll wäre.
Ein bestimmender Trend wird im Klimaschutz gesehen: Um die nationalen und internationalen Klimaschutzziele zu erreichen und damit die bevorstehenden Klimaveränderungen auf ein möglichst unkritisches Maß zu begrenzen (Vermeidung einer Destabilisierung von Kipppunkten im globalen Klimasystem), werden in Zukunft verstärkte Anstrengungen notwendig sein. Dieser Pfad führt in Richtung einer Dekarbonisierung der Wirtschaft, also die Abkehr von der Nutzung fossilen Kohlenstoffs, die derzeit noch unser Wirtschaften prägt.
Ebenso sind spürbare technologische Innovationen zu erwarten. Dies betrifft Technologien für die Energieversorgung ebenso wie Technologien für die Kommunikation und die Mobilität. In dieser Kombination dürfte uns damit ein fundamentaler gesamtgesellschaftlicher Transformationsprozess bevorstehen, der bereits langsam begonnen hat, aber erwartbar mit rascher Geschwindigkeit voranschreiten wird (Stichwort exponentielles Wachstum). Dies wird mit raschen Veränderungen von Geschäftsfeldern einhergehen. Es lohnt sich daher, das eigene Unternehmen in diesem Kontext einzuordnen, um die Chancen zu maximieren und die Risiken zu minimieren und sich auf den Wandel an den Märkten vorzubereiten.
Mit Blick auf die Energiewende sind mittelfristig wieder Chancen auf neue Geschäftsfelder für Sparkassen erwartbar, denn im Zuge dieser Entwicklungen werden sektorenübergreifend enorme Investitionen in Infrastruktur und Anlagen notwendig, während zunehmend Brennstoffimporte und -kosten eingespart werden. Kurz gesagt: Energiewende ist Kapitalwende. Die Entwicklungen deuten in Richtung einer digitalen Energiewende mit Kopplung der Sektoren Strom, Wärme/Kälte und Verkehr, wobei eine Vielzahl kleinteiliger Anlagen im Verteilnetz zu steuern und die Marktprozesse mit diversen Akteuren zu regeln sind. Allerdings sind die ordnungsrechtlichen Rahmenbedingungen, die entsprechende Geschäftsmodelle für Projekte mit Sektorenkopplung ermöglichen, noch zu schaffen. Dies ist ordnungspolitisches Neuland. Es wurde diskutiert, dass eine in planbaren Schritten eingeführte wirkungsvolle CO2-Bepreisung in Kombination mit einer Reform der auf Strom anfallenden Umlagen und Steuern geeignet wäre, die grundlegenden Voraussetzungen dafür zu schaffen.
Technologische Entwicklungen, z.B. im Bereich von Photovoltaik, Speichern etc. könnten dazu beitragen, dass Projekte zukünftig auch ohne öffentliche Förderung wirtschaftlich werden. Bereits jetzt gibt es einzelne Vorreiter, oftmals Gewerbetreibende, die zukunftsweisende Projekte eigenständig umsetzen und an deren modellhaften „first mover“-Projekten man sich orientieren kann, z.B. Hybridsysteme in Gebäuden. Es wurde auf das Potenzial von Hybridsystemen für die Energieversorgung von Quartieren hingewiesen. Eine vorausschauende Planung ermöglicht Aufwärtskompatibilität, etwa zur Integration von Elektromobilität. Je nach Einzelfall kann eine Kombisystem mit Photovoltaik, Wärmepumpe und/oder BHKW, thermischen Speichern und ggf. Solarthermie bereits jetzt wirtschaftlich sein. Ebenso bieten Energieeffizienzprojekte in Gewerbe- und Industriebetrieben ein großes Potenzial. Heute schon könnte z.B. ein Lichtcontracting in Zusammenarbeit mit Stadtwerken interessant sein. Im Bereich der Mobilität dürfte die Elektromobilität einen ersten wesentlichen Schritt zu mehr Energieeffizienz im Verkehr darstellen. Dabei kann durchaus mit einer raschen Zunahme der Elektromobilität gerechnet werden, sobald einzelne weitere Entwicklungsschritte, die für Kaufentscheidungen bedeutsam sind, vollzogen sind. Bereits heute bietet die Deutsche Post mit einem selbst entwickelten Elektro-Lieferfahrzeug eine interessante Alternative zur kraftstoffbasierten Mobilität an. Elektromobilität kann überdies dazu dienen, die Stromverteilnetze zu stützen, sofern die Ladeprozesse intelligent gesteuert werden. Als Beispiel für ein mögliches mittelfristig entstehendes Geschäftsfeld wurde die Direktvermarktung von Strom aus erneuerbaren Quellen über virtuelle Kraftwerke angesprochen – eine marktwirtschaftliche Lösung, die Akteurs- und Gestaltungsvielfalt ermöglicht. Über das virtuelle Kraftwerk, das die Städtische Werke AG Kassel im Stadtwerkverbund entwickelt, wurde auf dem House of Energy-Kongress im März berichtet (https://www.house-of-energy.org/hoe-kongress-2018). Die Zusammenfassung findet sich in Kürze im Kongressband (https://www.house-of-energy.org/mediathek)
Fazit
Die Rolle der Projektfinanzierer und damit auch der Sparkassen ändert sich mit dem sich wandelnden Marktumfeld und will daher stetig analysiert und weiterentwickelt werden. Neue strukturierte Finanzprodukte in einem sich verändernden regulatorischen Rahmen sind gefragt. Es bietet sich an, Unternehmen aus der Finanzbranche mit solchen aus dem Energiebereich (über die klassische Energiewirtschaft hinausgehend) systematisch zu vernetzen, um die Grundlagen zu schaffen. Für bestimmte Kundengruppen sind Risiken aufzufangen und es stellt sich die Frage an die Finanzinstitute, wie sie mit dem daraus für sie selbst entstehenden Risiko pragmatisch umgehen können. Aus Kundensicht wird entscheidend sein, dass Finanzierungspartner mehr einbringen, als nur Kapital und soweit möglich Projekte aktiv mit dem gebündelten Know-how ihrer Konsortien über den gesamten Lebenszyklus des Projektes begleiten.
Anlässlich der Fachtagung des SGVHT betonten die Sparkassen, dass sie – unabhängig von der aktuellen schwierigen Situation – zu den Entwicklungen der Energiewende und den technologischen Neuerungen im Austausch sein möchten, um zukünftig sich abzeichnende Märkte rechtzeitig zu erkennen und sich dafür aufstellen zu können. Das House of Energy e.V. bietet Veranstaltungen zum Thema an, zu dem die Vertreter von Finanzinstituten gerne eingeladen sind (Veranstaltungskalender https://www.house-of-energy.org/dynasite.cfm?dsmid=509498).
Dirk Filzek, House of Energy