Nachbericht zur Dialogveranstaltung: Geschäftsoptionen der Energiewende
Am 11. Dezember 2019 luden House of Energy und House of IT zum Dialog „Geschäftsoptionen der Energiewende“ ins Haus Metzler in Frankfurt-Bonames ein. Rund 50 Expertinnen und Experten aus der Energie-, Finanz- und IT-Welt folgten der Einladung der beiden Houses und diskutierten, welche Geschäftsfelder sich durch die Energiewende abzeichnen und wie sich diese branchenübergreifend nutzen lassen.
Für viele Unternehmen aus der Energiewelt ist unklar, wie und mit welchen Geschäftsmodellen die Weichen für die Zukunft zu stellen sind. Zudem sind die Themenfelder Energietechnik, Digitalisierung und Finanzierung eng verzahnt. Dies erhöht die Komplexität der Fragestellungen. Klar ist: Die Energiewende und die Dekarbonisierung der (Energie-)Wirtschaft sind mit grundlegenden Transformationen verbunden. Viele Akteure stehen daher vor der Herausforderung, ihre Geschäftsfelder neu (er)finden zu müssen.
Im Anschluss an die Konferenz waren sich die beiden Geschäftsführer Frau Dr. Cornelia Herriger (House of IT) und Herr Prof. Dr. Peter Birkner (House of Energy) einig: „Eine enge kooperative Zusammenarbeit zwischen Akteuren der Energie-, Finanz- und IT-Welt ermöglicht und unterstützt neue Geschäftsoptionen. Zukunftsorientierte Geschäftsmodelle kommen unter den bestehenden Markt- und Regulierungsbedingungen mit herkömmlichen Finanzierungsmodellen vielfach nicht zum Fliegen. Individuell konzipierte Finanzierungsmodelle aber haben das Potenzial, ungenutzte Marktpotenziale zu heben. Dies erfordert den moderierten Wissenstransfer zwischen den Branchen, wie ihn das House of Energy und das House of IT unterstützen.“
Sustainable Finance – neue Dynamiken an den Finanzmärkten
Prof. Dr. Ulf Moslener von der Frankfurt School of Finance and Management erläuterte in seiner Key Note, dass im Zusammenhang mit der Energiewende eine neue Dynamik an den Finanzmärkten zu beobachten sei. Klimaschutz und Nachhaltigkeit hätten sich vom „weichen“ zum „harten“ Risiko-Thema entwickelt und würden sowohl von Marktteilnehmern als auch Regulierern immer mehr in die Risikomodelle integriert. Zudem versprächen sich die Finanzhäuser für diese Themen neue Marktpotenziale. Um eine CO2-Minderung zu erreichen, müsse in erster Linie bei der Regulierung der „Realwirtschaft“ angesetzt werden. Gleichwohl käme der Finanzwirtschaft eine zentrale Rolle in diesem Strukturwandel zu. Während Europa (und China) im Bereich Sustainable Finance, verglichen mit den USA, bereits weiter fortgeschritten seien, läge Deutschland innerhalb Europas noch zurück. Aufgrund der spezifischen Rolle des deutschen Mittelstandes und der deutschen Finanzwirtschaft sei es jedoch wichtig, dass Deutschland sich stark in diesem „Aufholprozess“ engagiere, so Moslener.
Smart Utility
Olaf Baumann von IT-Dienstleister FPT Deutschland GmbH ging auf die digitale Transformation ein und nahm dabei die Energieversorger in den Fokus. In seinem Vortrag verdeutlichte er, was die Energiewirtschaft von der verarbeitenden Industrie lernen kann und wie digitale, auf Daten basierende Geschäftsmodelle aussehen könnten. Vor dem Hintergrund immer größerer Datenmengen durch IOT-Anwendungen und Sensoren in der Energieversorgung ergeben sich neue Geschäfts- und Anwendungsfelder für Energieversorger. Allerdings hinke Deutschland im Bereich der Cloud noch hinterher. Lange Planungshorizonte und alte Denkmuster bei den Energieversorgern führten außerdem dazu, dass dieses Potenzial noch nicht ausreichend genutzt werde. Als Beispiel für digitale Anwendungen in der Industrie nannte er den Einsatz von Roboter „Pepper“ im Customer Contact Center oder das Risikomonitoring.
Interaktive Workshops
Im Rahmen interaktiver Workshops stiegen die Teilnehmer dann tiefer in die unterschiedlichen Themenfelder ein. Moderiert von Harald Zenke (North Channel Bank GmbH & Co. KG) erarbeiteten die Teilnehmer mögliche Finanzierungslösungen für den Mittelstand. Dazu wurden wesentliche Trends in der Entwicklung der Energiemärkte analysiert und gemeinsam überlegt, wie zukünftig neue Technologien und Geschäftsmodelle finanziert und marktfähig gemacht werden können. Fabian Schmidt von der Software AG suchte gemeinsam mit den Workshop-Teilnehmern nach Potenzialen und strategischen Ansatzpunkten für digitale Plattformen in der Energiewirtschaft. Beim Workshop Smart Factory, der von Christoph Armbruster (Bosch Energy and Building Solutions GmbH) moderiert wurde, ging es um Energie- und Ressourceneffizienz in der Industrie als wichtigen Beitrag zur Energiewende. Mittlerweile gehe es im industriellen Umfeld darum, die Potenziale in Produktion und Prozessen entlang des Wertstroms zu heben. Dies erfordere neue Formen der Zusammenarbeit mit langfristigen, partnerschaftlichen Ansätzen. Entscheidend sei dabei der Change hin zu einem agilen Projektansatz und neuen Kollaborationslösungen wie Gainsharing, Einsparcontracting und Effizienzpartnerschaften.
Leitfragendialog
Welche Impulse bieten die Märkte? Welche Geschäftsfelder stehen bereits offen? In der anschließenden Expertendiskussion teilte Stefan Sagmeister, Chefredakteur des Fachverlags „Energie & Management“, seine Erfahrungen aus Sicht des Journalisten, der als Generalist einen ganzheitlichen Blick auf die Energiemärkte mitbringt. Aufgrund seiner Beobachtungen geht er davon aus, dass in Zukunft mit weiteren Umbrüchen in der Energieversorgung zu rechnen ist. Zu den wesentlichen Treibern zählen politische Vorgaben, gesellschaftlicher Druck und die Notwendigkeiten, die sich aus den ersten spürbaren Klimaveränderungen ergeben. Dabei deutet sich bereits eine große Vielfalt an neuen Geschäftsfeldern an, für die er einige Beispiele in den Bereichen Mobilität, Energieeffizienz, Prosumer und Smart Living anführte. Die Digitalisierung dürfte zum „Gamechanger“ für die Energiewende und Plattformen immer wichtiger werden. Diese neuen Geschäftsfelder böten neue Chancen für Energieversorger, aber auch beachtenswerte Risiken, da neue Player am Markt zentrale Rollen einnehmen werden und dabei traditionelle Branchengrenzen überschritten werden.
Hinsichtlich des Investitions- und Umsetzungsklimas für die Energiewende erwartete das Fachpublikum eine Verbesserung innerhalb der nächsten fünf Jahre. Zwar bestehe der Wille für Investitionen, die Umsetzung erfolge aber nur zögerlich. Im Hinblick darauf müsse der ordnungspolitische Rahmen noch stärker weiterentwickelt werden. Dieser spiegele noch nicht die technologischen Entwicklungen der vergangenen Jahre wider: Die Entwicklung von notwendigen Geschäftsmodellen, beispielsweise im Bereich Speicher oder Sektorenkopplung, sei damit derzeit noch nicht, beziehungsweise erschwert, möglich. Außerdem sei eine zentrale Aufgabe die Förderung der Akzeptanz der dezentralen Energieanlagen durch die Bürger, beispielsweise durch Dialogformate und die frühzeitige Einbeziehung.
Get-Together und Networking
Der Dialog „Geschäftsoptionen der Energiewende“ diente dem interaktiven Erfahrungs- und Wissensaustausch von Fachkräften und Entscheidern aus der Energie-, IT- und Finanzwelt. Die Vorträge und Workshops boten wichtige Impulse und aktuelle Beispiele aus Praxis und Entwicklung. Das abschließende Get-Together mit Flying Buffet ermöglichte den Teilnehmern sich in angenehmer Atmosphäre vertiefend auszutauschen.
Schlussfolgerungen aus der Tagung
„Für die Umsetzung der Energiewende ist der Dialog der drei Branchen unabdingbar. Experten aus der Finanz-, IT-, und Energiewelt können so gemeinsam an Ideen und Projekten arbeiten. Wir vom House of IT freuen uns über die gute Zusammenarbeit mit dem House of Energy. Mit dem gemeinsamen Veranstaltungsformat soll der Austausch zwischen den Branchen auch in Zukunft unterstützt werden“, so Frau Dr. Herriger.
Herr Prof. Dr. Peter Birkner[KE1] [KE2] ergänzt, dass transdisziplinär durchgeführte Projekte und offene interaktive Kommunikationsformate die großen Transformationsprozesse nachhaltig unterstützen. Damit sei das hessische Konzept der „Houses of“ die passende Antwort auf die Herausforderungen unserer Zeit.
Bleiben Sie im Dialog: Bei Anregungen oder Projektideen zu Geschäftsoptionen der Energiewende, wenden Sie sich gerne an unsere Geschäftsstellen. Wir helfen bei der Anbahnung von Projekten und stehen als Ansprechpartner zur Verfügung.
Über die Veranstalter
Das House of Energy e.V. (HoE) mit Sitz in Kassel versteht sich als Innovationscluster und „Denkfabrik“, die von Wirtschaft, Wissenschaft, Universitäten, Hochschulen und Forschungseinrichtungen sowie der hessischen Landesregierung getragen wird. Es arbeitet transdisziplinär und unterstützt die Energiewende in Hessen konzeptionell und wissenschaftlich. Als Kompetenzzentrum, Kommunikations-, Koordinations- und Wissenstransferplattform initiiert und begleitet das HoE zukunftsweisende Projekte mit technologischem Schwerpunkt.
Mehr unter www.house-of-energy.org
Das House of IT e.V. (HIT) mit Sitz in Darmstadt ist ein Innovationscluster zur Förderung der Digitalen Transformation und wird als gemeinnütziger Verein gemeinsam von Wirtschaft, Wissenschaft und Politik getragen. Hier treffen sich Visionäre, Gestalter und Anwender in einem Expertennetzwerk und arbeiten gemeinsam an Themen der Digitalen Transformation. Unter dem Dach des House of IT werden Zukunftsthemen gestaltet und Digitalkompetenz für Fach- und Führungskräfte gefördert.
Mehr unter www.house-of-it.eu
Als Teil der „Houses of“-Innovationsstrategie des Landes Hessen ist es das Ziel, gemeinsam mit den Mitgliedern die Attraktivität des Standorts Hessen weiter zu erhöhen und branchenübergreifende Projekte voranzutreiben.